Von der Schreibmaschine zur SEO-Übersetzung und den CAT-Tools
Das ist die Übersetzung eines Interviews, das Anna Colagè im September 2019 mit mir geführt und in ihrem Blog veröffentlicht hat. Das italienische Original dieses Interviews können Sie hier lesen.
(Anna:) Vor fünf Jahren habe ich in einem Post geschrieben, wie wichtig es ist, Fremdsprachen zu lernen und wie italienische Muttersprachler als Webredakteure für ausländische mehrsprachige Websites arbeiten könnten. Heute möchte ich näher auf das professionelle Übersetzen und insbesondere auf das von Webinhalten eingehen: Übersetzungen für das Internet sind ein sehr interessanter Fachbereich und eine Spezialisierung, die sich großer Nachfrage erfreut.
Ich freue mich, euch Nadia Goi vorzustellen, eine Schweizer Übersetzerin mit langjähriger Erfahrung in drei Sprachen. In der Tat hat sie „Wurzeln im Schwarzwald, in der Po-Ebene und in der Deutschschweiz“.
- Hallo Nadia, willkommen in meinem Blog. Erzähl uns, wer du bist und was du arbeitest.
Hallo Anna, danke für die Gastfreundschaft! Wer ich bin? Ich bin Deutschitalienerin und in der Schweiz in der Nähe von Zürich geboren und aufgewachsen. Nach meinem Abitur in modernen Sprachen (Englisch, Französisch und Italienisch) zog es mich nach Italien, wo ich die Dolmetscherschule in Bologna besucht habe. Ich arbeite seit 30 Jahren mit Fremdsprachen als Dolmetscher und Übersetzer, unterrichte aber auch Deutsch und Italienisch. Nach einem lehrreichen Online-Texten-Seminar, das ich in München besucht habe, bin ich in die Welt des SEO (bzw. der Suchmaschinenoptimierung) eingestiegen: Seitdem schreibe ich gerne SEO-Artikel und biete auch SEO-Übersetzungen an.
- Wie hat sich die Übersetzerbranche verändert, seit du als Übersetzerin tätig bist?
Tatsächlich durfte ich in den letzten 30 Jahren als Übersetzerin sehr viele Veränderungen miterleben. Anfangs arbeitete ich mit Dutzenden von Wörterbüchern und einer elektrischen Schreibmaschine, später mit einer elektronischen und schlussendlich sogar mit einer Schreibmaschine, die über ein Display verfügte (und auf der ich mit großer Freude meine Abschlussarbeiten geschrieben habe). Dieses Modell erlaubte es, mehrere Seiten zu speichern und diese vor dem Ausdrucken nochmals durchzulesen.
1990 kaufte ich meinen ersten PC, einen 386er. Der erste große Meilenstein in meinem Übersetzerdasein – und natürlich auch in allen anderen Branchen! Internet für Normalbürger gab es damals noch nicht. Ich arbeitete mit einer Reihe teurer Fachwörterbücher und lieferte die Übersetzungen in der Regel per Fax. Anspruchsvollere Kunden wollten Sie auf Diskette erhalten, die ich persönlich vorbeibrachte oder ihnen per Express-Kurier sandte. Wer die Übersetzungen per Fax erhielt, musste sie abtippen, was oft zu Abschreibfehlern führte.
Eine weitere große Errungenschaft war das Aufkommen der E-Mail – für mich im Jahr 1992. Endlich konnte ich meine fertiggestellten Übersetzungen per E-Mail versenden. Das Internet hatte zu dieser Zeit übrigens noch wenig zu bieten: Auf der Website des CERN könnt ihr euch über diesen Link einen Eindruck davon verschaffen, wie es war, Anfang der Neunzigerjahre im Internet zu surfen – es bot zwar viele Daten an, war aber ziemlich farblos!
In den frühen 2000er Jahren fand für mich als Übersetzerin eine weitere große Veränderung statt: Ich fing an, das Internet zu nutzen, um Informationen und Vokabeln zu recherchieren. Die Verbindung per Modem war jedoch sehr langsam und der Empfang oder das Senden einer schweren Datei konnte Stunden dauern. Glücklicherweise ist das Web heute allen zugänglich und sehr schnell geworden. Internet ist mit einem gigantischen Angebot an Informationen, Bildern und Klängen das Schlaraffenland des Informationszeitalters – eine authentische digitale Wissensquelle.
Eine neue, große Herausforderung in der Übersetzungsbranche ist die maschinelle Übersetzung. Übersetzungstools wie Google Translate oder DeepL sind sehr nützlich, wenn wir uns einen Eindruck vom Inhalt eines Texts verschaffen möchten, der in einer uns unbekannten Sprache verfasst ist. Sie können für professionelle Übersetzungen jedoch kaum verwendet werden, da sie oft falsch übersetzen, es mit der Grammatik nicht so genau nehmen und manchmal sogar unerwartet „humorvolle“ Textinterpretationen hervorbringen!
Etwas ganz anderes hingegen sind die CAT-Tools (Computer Assisted Translation Tools). Ein CAT-Tool ist eine hoch entwickelte Übersetzungssoftware, die Übersetzer mit einem großen Translation Memory, Übersetzungsvorschlägen und Qualitätskontrollen unterstützt. Wenn sie professionell und mit hervorragenden Kenntnissen der Ausgangs- und Zielsprache eingesetzt werden, können sie ausgezeichnete Ergebnisse liefern.
- Könntest du uns den Unterschied zwischen übersetzen, lokalisieren und transkreieren erklären?
Wenn ein Kunde nach einem Übersetzer für ein Dokument sucht, gibt er normalerweise an, ob er eine Übersetzung, Lokalisierung oder Transkreation braucht. Beim „einfachen“ Übersetzen muss sich der Übersetzer sehr genau an den Wortlaut der Ausgangssprache halten – so zum Beispiel bei Gebrauchsanweisungen oder Verträgen.
Beim Lokalisieren geht der Übersetzer einen Schritt weiter, weil der Text nicht nur übersetzt, sondern auch der Zielkultur angepasst wird – zum Beispiel wird im Italienischen oft geduzt, während im Deutschen meist gesiezt wird; Redewendungen müssen mit einer gleichwertigen Redewendung übersetzt werden und nicht wörtlich; und der Sinn für Humor ändert sich von Kultur zu Kultur. Manchmal muss ein Text für eine Sprachvariante lokalisiert werden, z. Bsp. vom Französischen ins kanadische Französisch. Ich muss oft deutsche Texte für die Deutschschweiz lokalisieren.
Wie es das Wort schon vermuten lässt, ist eine Transkreation eine kreative Übersetzung, mit der wir Stimmungsbilder oder Empfindungen übersetzen, wie es häufig bei Werbe- oder Marketingtexten der Fall ist. Beim Transkreieren einer Firmenbotschaft zum Beispiel muss die Botschaft und das damit verbundene Firmenimage unverändert bleiben, auch wenn sie mit anderen Worten übersetzt werden.
- Was sind deiner Meinung nach die Anforderungen an einen guten Übersetzer für das Internet?
Ein guter Übersetzer für das Internet muss vor allem gut übersetzen – das Übersetzen für das Internet kann als eine Spezialisierung angesehen werden. Ein guter Übersetzer übersetzt nur in die Muttersprache, nie in eine erworbene Sprache. Wer speziell für das Web übersetzt, sollte sich mit der Suchmaschinenoptimierung und folglich mit SEO-Übersetzungen auskennen. Er sollte also in der Lage sein, Keywords so zu übersetzen, dass sie auch in der Zielsprache ein gutes Ranking haben. Der Übersetzer muss auch das Verhalten des Weblesers kennen: Wer im Netz einen Artikel liest oder nach Informationen sucht, hat es oft eilig, liest schnell und sprunghaft, will sofort verstehen, worum es in einem Text geht. Er erwartet klare Konzepte sowie kurze, bündige Sätze.
- Kürzlich habe ich eine E-Mail mit einer Werbeanzeige für ein tragbares Übersetzungsgerät erhalten. Was hältst du von diesen Geräten?
Ich selber habe noch nie ein Übersetzungsgerät benutzt, denke aber, dass es durchaus nützlich sein kann. Eine Freundin von mir ist diesen Sommer nach Indien gereist und dank eines solchen Übersetzungsgeräts konnte sie mit der Familie kommunizieren, die sie beherbergt hat. So ein Gerät kann die Kommunikation zwischen Menschen erleichtern, die keine gemeinsame Sprache kennen.
Anna: Ich denke, sie sind eine Form der künstlichen Intelligenz, die Menschen heute unterstützen und in Zukunft ersetzen könnten. In welchem Ausmaß sie uns ersetzen werden, lässt sich im Moment nicht voraussagen. Schon heute werden viele Finanztexte von Algorithmen generiert und nur kurz von Journalisten oder Fachexperten geprüft, die sie infolge von Börsennews oder politischen Ereignissen möglichst rasch veröffentlichen müssen. Hilfsmittel, die Menschen die Kommunikation erleichtern, haben trotz allem einen unbestreitbaren Wert. Dank ihnen kann eine Menge komischer (aber nicht immer lustiger) Situationen vermieden werden.
- Falls dich jemand um Rat bitten sollte, der den Beruf des Übersetzers für das Internet ausüben möchte, aber keinen Abschluss als Übersetzer oder Dolmetscher hat – was würdest du ihr oder ihm sagen?
Wer den Beruf des Übersetzers ausüben will, sollte sowohl die Sprache, aus der er übersetzt, als auch seine eigene Sprache sehr gut kennen, eine Leidenschaft für fremde Kulturen haben und viel lesen. Denn nur wer viel liest, schreibt gut. Eine Fremdsprache erlernt man am besten, indem man diese studiert und / oder Sprachaufenthalte in ihrem Herkunftsland macht. Wer für das Web übersetzen will, sollte sich mit dem Web und SEO zumindest ein wenig auskennen.
- Und nun sende bitte einen Gruß an meine Blogleser.
Dann verabschiede ich mich am besten in den fünf Sprachen, die Teil meines Lebens sind:
- Sperando di avervi raccontato qualcosa di nuovo sulla professione del traduttore, vi mando un cordiale saluto!
- Ich hoffe, dass ich euch einen spannenden Einblick in den endlosen Werdegang meines Übersetzer-Daseins geben konnte. Seid herzlich gegrüßt!
- Viele Dank für’d Ziit wo ihr eu gnoh händ. Ich hoffe, dass ich eu en spannende Iblick i min Übersetzerbruef ha chönne geh.
- Thank you for spending your time with me! I hope that you liked reading about how the translation profession has developed during the last few decades. Sunny regards!
- J’espère que vous avez appris quelque chose d’intéressant sur le métier du traducteur et je vous salue très cordialement.
Ich danke Nadia, die ich über das berufliche Netzwerk VPWN kennengelernt habe, herzlich dafür, dass sie ihren Werdegang und ihre Erfahrungen als Übersetzerin für das Internet mit uns geteilt hat.